Innsbrucks Immobilienmarkt ist ein komplexes Gebilde aus spannenden Projekten, hohem Preisniveau und signifikanten Leerständen. Und auch Mutter Natur mischt mit.
Innsbruck polarisiert, gar keine Frage. Entweder man liebt die einzigartige Einbettung in die herrliche Berglandschaft oder man wird emotional von der Nordkette erdrückt. Und wo schon die Beschreibung der äußeren Wohnumstände so differenziert ausfallen muss, da ist auch die Beschreibung des Immobilienmarktes kein Klax. Die Grundstückspreise sind sehr hoch, die Attraktivität der Stadt jedoch trotz erheblichem Preisanstieg ungebrochen. Der durchschnittliche Quadratmeterpreis für Mietwohnungen in Innsbruck beträgt demnach derzeit knapp über acht Euro, bei einer signifikanten Preissteigerung von fast sechs Prozent – laut Preisspiegel der Wirtschaftskammer. Mit einem Quadratmeterpreis von rund 2.450 Euro ist Wohnungseigentum (Erstbezug) um vier Prozent teurer als im Vorjahr, die Immobilienplattform immobilien.net setzt diesen Durchschnittswert sogar noch 400 Euro höher an. Einig ist man sich bei den Preisangaben für den raren Baugrund in der Landeshauptstadt, der derzeit bei einem Spitzenwert von 460 Euro liegt und somit abermals um 5,8 Prozent teurer geworden ist, sehr gute Grundstücke in Hötting, Hungerburg oder Igls sind sogar kaum unter 550 Euro zu bekommen.
Leben am Tivoli Spannend für Entwickler ist freilich, dass gleichzeitig sogar neue Großflächen in Innsbruck frei werden. So wollen die ÖBB ein über 10.000 Quadratmeter großes Grundstück beim Frachtenbahnhof verkaufen, der seine Bedeutung seit der Fertigstellung der Güterzugsumfahrung sukzessive verloren hat. Dieses riesige Stadtentwicklungs-Areal soll ebenso wie das Westbahnhof-Gelände in ein Wohngebiet umgewandelt werden. Ein bereits in Bau befindliches Großprojekt ist hingegen die Neuentwicklung des Tivoli-Areals. Bis zum Frühjahr 2008 sollen hier im Sinne einer dichten, fünfgeschossigen Blockrandbebauung insgesamt 472 Wohnungen, 8.000 Quadratmeter Bürofläche, ein Seniorenwohnheim, ein Hotel und verschiedene Freizeitanlagen entstehen. Die Bauabwicklung teilen sich die Neue Heimat Tirol und die Vorarlberger ZIMA-Unternehmensgruppe. Die politischen Diskussionen rund um das riesige Bauvorhaben waren allerdings langwierig und heftig gewesen. Dennoch konnte Bürgermeisterin Hilde Zach anlässlich der ersten Firstfeier Ende Juli 2006 letztlich ein konsensuales Resümee ziehen: „Trotz der vielen Bedenken waren sich alle in einer Sache einig. Wir brauchen Wohnraum.“ Und der soll neben dem „Tivoli Neu“ auch am Lohbach geschaffen werden, im Rahmen des Wohnprojekts „Lohbach II“ sind 250 neue Wohnungen geplant.
Troubles in the City Aber Innsbruck hat auch Probleme. Etwa in der Innenstadt. Dr. Robert Moll, Fachgruppenobmann der Tiroler Immobilientreuhänder und selbst Geschäftsführender Gesellschafter des Innsbrucker Immobilienunternehmens „Dr. Moll und Punt“ spricht ein offenes Geheimnis aus: „Die Einkaufszentren in der Umgebung von Innsbruck haben in den letzten Jahrzehnten viel Kaufkraft abgesogen.“ Erst in den letzten Jahren sei eine Wiederbelebung der Innenstadt – etwa durch die Rathaus Galerien – festzustellen, und auch der anstehende Umbau des Kaufhauses Tyrol werde dem Stadtzentrum neue Impulse geben, hofft Moll. Auch die aktuellste „Frequenzwelle“ der gemeinnützigen Vereinigung für Stadt- und Standortmarketing Infrapool, die alljährlich die Innenstadt-Passantenfrequenz in 70 österreichischen Städten erhebt, brachte aus Innsbrucker Sicht ein suboptimales Ergebnis: Während sich Österreichs Innenstädte im Schnitt über eine Frequenzsteigerung von sieben Prozent freuen konnten, büßte Innsbruck im Vergleich zu 2003 fast 25 Prozent seiner Passantenfrequenz ein. Während die Frequenzproblematik naturgemäß nur für Gewerbeimmobilien ein Problem darstellt, weiß die Tiroler ÖVI-Landesstellenleiterin Dkfm. Renate Haberzettl allerdings auch von einer wenigstens teilweise gegenläufigen Entwicklung zu berichten: Immer mehr junge Leute würde es in den letzten Jahren in die Stadt ziehen, nicht zuletzt, weil ein Auto für die abendliche Freizeitgestaltung hier nicht von Nöten sei. Haberzettl: „Dieser Trend hat sich sicher verstärkt.“ Aber auch die Vorstädte haben Schwierigkeiten, die Zentren von Stadtteilen wie Pradl oder Wilten kämpfen mit schwindender Infrastruktur. Weniger Bäcker, weniger Greißler, weniger Modegeschäfte. Immobilien-Fachmann Moll: „Da gibt es Straßen, wo man wirklich über einen Rückbau der Parterrelokale in Wohnungen nachdenken muss.“
Büros: Hohe Mieten, viel Leerstand Gleichzeitig steigen die Mieten für Büro- und Geschäftsflächen weiterhin stark an. Während Geschäftslokale für durchschnittlich 16,86 Euro – ein Plus von 5,6 Prozent im Vergleich zu 2005 – gemietet werden können, kostet ein Quadratmeter Bürofläche mit knapp über acht Euro weniger als die Hälfte. Großes Aber: Die Büromieten schnellten damit innerhalb eines Jahres um satte 11,62 Prozent nach oben. Übrigens: Mit 1,1 Millionen Quadratmetern ist der Innsbrucker Markt der größte für Büroflächen in Westösterreich. Die Kehrseite der Medaille: Die Leerstände steigen weiter an und beinhalten mit 66.000 Quadratmetern bereits sechs Prozent des enormen Büroflächen-Angebots. Egon Hajek, Geschäftsführer der PRISMA Zentrum für Standort- und Regionalentwicklung GmbH bestätigt: „Der Tiroler Büroimmobilienmarkt ist sicherlich von österreichweit überdurchschnittlich hohen Leerstandsraten geprägt. Die Gründe dafür sind einerseits hohe die Quadratmeter-Neuproduktion und andererseits die Umnutzung von Altbeständen, bedingt durch wirtschaftsstrukturelle Bereinigungen.“ Und Renate Haberzettl ergänzt: „Die Peripherie hat neue Büromärkte erschlossen – und zum Teil übererschlossen.“ Eine der Folgen: Während bei neuen Büroprojekten eher noble Zurückhaltung herrscht, konzentrieren sich Bauträger wie BEO, Raiffeisen Bau, ZIMA oder Immorent zusehends auf den Wohnbau.
Gesundheitszentrum Bürgergarten Qualität mit innovativen Ansätzen ist Gewerbeimmobilien-Segment dennoch nach wie vor gefragt. So errichtet etwa die BOE auf dem 14.000 Quadratmeter großen Areal der ehemaligen Brauerei Bürgerbräu derzeit Tirols größtes Gesundheitszentrum. Das „Gesundheits- und Versicherungszentrum Tirol-Bürgergarten“ soll Anfang 2008 fertiggestellt werden und dann sämtliche Sozialversicherungsträger, die UNIQA Versicherung und das Bildungsinstitut BFI beheimaten. BOE-Projektentwickler Dr. Siegfried Oberfrank freut sich angesichts des 72-Millionen-Euro-Projekts auf den „größten innerstädtischen Bürocampus Westösterreichs“. Klar ist aber auch: Wo übersiedelt wird, da bleiben oftmals auch leere Altbüros zurück. Selbiges gilt etwa für das InnPark Center in Neu-Arzl, das nach langjährigen Verwertungs-Troubles und dem bevorstehenden Auszug der PVA einer ungewissen Zukunft entgegensieht. Speziell Büros in Altbauten werden in Innsbruck daher tatsächlich immer öfter auch ganz aufgelassen und in Wohnflächen zurückgebaut. Ein Positiv-Beispiel ist hingegen das von PRISMA errichtete Life Science Center am Stadtrand, das sich einer äußerst regen Nachfrage erfreut. Ein weiteres Projekt des Entwicklers, das Competence Center Innsbruck, wird derzeit ebenfalls weiterentwickelt – in Rossau sollen so letztlich 7.000 Quadratmeter zur Verfügung stehen.
Silhouetten und Sonnenstunden Ein Innsbrucker Spezifikum ist die Auseinandersetzung mit dem Thema Hochhaus. Während das Stadtentwicklungskonzept aus dem Jahr 1980 unter Rücksichtnahme auf die historische Stadtsilhouette de facto eine Bauhöhenbeschränkung von 20 Metern etablierte, wurde – motiviert durch vermehrte Anfragen – 2001 eine Hochhausstudie in Auftrag gegeben. Das Ergebnis: Innsbruck braucht keine Hochhäuser. Gleichzeitig wurde jedoch ein neuer Mehrwert-Hochhaustypus namens „Urbanissima“ definiert, für den auch im innerstädtischen Bereich Ausnahmen möglich sind. Innsbruck-spezifische Zusatzanforderung: „Wichtige Blickpunkte und Blickschneisen“ müssten freigehalten werden. (ist geblieben) Dass in einer alpinen Großstadt jedenfalls teilweise andere Gesetze gelten als in der weiten Ebene, zeigt auch ein anderer Aspekt: Die Anzahl der maximal möglichen Sonnenstunden, die je nach Jahreszeit und Stadtteil unterschiedlich ist, ist durchaus ein Thema. Ein Beispiel: Im Stadtteil Mentlberg – Sieglanger etwa ist bedingt durch die topografische Lage die Wintersonne ein seltener Gast, da ist im wahrsten Sinn des Wortes der Mentlberg vor. Ein Effekt, der frei nach Wolfgang Ambros aber ohnedies auch aus anderen Regionen Österreichs bekannt sein dürfte: Sie scheint eben irgendwie nur an „manchen Tagen“, die „Wintersunn“… (aus Immobilien Magazin)